by  Walter O. Ötsch

März 21, 2024

Wie schafft es Donald Trump, die Menschen in seinen Bann zu ziehen?

Analyse der Trump-Rally am 17. Februar 2024 Clausin Waterford/Michigan

Claus Hecking fragt Walter Ötsch

(Das Interview war ursprünglich für Spiegel-Online vorgesehen und sollte mit Videomaterial unterlegt werden. Aus Gründen der Bildrechte konnte das nicht realisiert werden.)

These: Trumps Rallys sind wie ein Gesamtkunstwerk. Sie sind Performance-Shows, von Anfang bis Ende durchorchestriert. Trump schafft einen sozial geschützten Raum, in dem jede und jeder seinen Hass hinausschreien darf.  Das Ziel ist, eine gefühlte Einheit aufzubauen, in der Führer und Masse verschmelzen: bis zur Klimax, wo alle gemeinsam schreien. Das gelingt Trump jedes Mal.
Hecking: Einzug Trump: Trump kommt in den Saal zu Musik „Proud to be an American / God bless the U.S.A.“ (den Song verwendete schon Ronald Reagan, der auch „Made America Great Again“ als Slogan hatte.  Er hat die MAGA-Baseball-Mütze tief ins Gesicht gezogen, dunkler Mantel, dunkle Handschuhe, Augen schlitzartig verengt. Deutet hier und da auf Menschen im Publikum, schaukelt mit der Musik mit, deutet an, er johle“

Ötsch: Die Kappe mit dem MAGA-Slogan ist das Zeichen: Ich bin einer von Euch, Eurer Anführer. Dadurch, dass er die Kappe so tief ins Gesicht zieht und die Augen schlitzartig verengt, zeigt er: ich bin wütend, böse. Die teure Kleidung deutet an, dass er etwas besonderes ist: eine Art Elite, die Handschuhe erinnern an eine Krisensituation. Mit seinen Gesten will er eine Gemeinschaft mit dem Publikum aufbauen und es animieren, mitzuschaukeln, mitzusingen, mitzujohlen. Und seine Anhänger folgen ihm.

Anfang der Rede: „Hello, Michigan. Hello. All right. Thank you very much, everybody. And I'm thrilled to be back in the American heartland. This is the heartland with the proud, hard working patriot who made this country run and made the country great. Might not be so great right now, but we're gonna have it great very quickly. Again, not so great right now. Thanks to citizens like you: this November, the great state of Michigan is going to tell Crooked Joe Biden: You're fired! Get the hell outta here."

Ötsch: Hier baut Trump sein Leitmotiv auf: den Gegensatz zwischen dem fiktiven Wir, den hart arbeitenden, guten Menschen – und den fiktiven Gegnern, einer Elite, welche die Guten unterdrückt, personifiziert durch Joe Biden. In seinem Publikum spricht er Menschen mit Leidenserfahrungen an: Sie haben keinen schönen Job, sie fühlen sich gedemütigt, sind verschuldet oder können ihren Kindern nicht die beste Ausbildung bezahlen. Trump wiederholt in seinen Reden ständig die wichtigsten Worte, hier „heartland“ oder „great“, das wirkt suggestiv. Der Satzbau ist extrem einfach gehalten, auf Kinderniveau, so kann ihm jeder folgen. Und dann kommt Trumps Markenzeichen-Satz aus seiner Fernsehzeit: You´re fired! Den kennen alle, den können alle mitschreien, wie den Refrain eines Popsongs.

Angriff auf Biden: „Joe Biden and the fascists that control him are a threat to democracy. They're a threat to democracy. Now, he's not smart enough to know that, but he's got people that can. The guy can't even walk off a platform. No, he can't find the stairs. He can't put two sentences together. And I'm not going to imitate him because every time I imitate him, they say Donald Trump couldn't find his way off."  

Ötsch: Trump denkt sozialdarwinistisch: er teilt die Welt in Gewinner und Verlierer ein, zugleich in Gut und Böse. Biden wird vorgeführt als willenloses Werkzeug der Elite und als Verlierer: dass er nicht mehr leistungsfähig sei, dass er kaum noch sprechen könne. Damit gibt er den Menschen im Publikum unterschwellig ein Gefühl der Größe und Stärke: dass sie selbst mehr wert sind als Biden. Und auf diesem Sündenbock, dem Vertreter der Bösen, dürfen sie herumtrampeln.

Mit Arbeiter auf der Bühne: „The auto workers are going to support this guy like we did in 16 and 20. We're going to do it again in 24. Everybody's going to get out and vote. 85 million of us are going to vote for this guy. They can't cheat enough to beat him.“ [Arbeiter und Trump umarmen sich]: Trump:  I met him backstage, I liked him, I said, look at these muscles. This guy's got muscles all over the place. I said, what do you do? He said, I'm an auto worker. I said, that's too bad because you're not going to have a job in two years.“ 

Ötsch: Hier geht es Trump um die Verschmelzung zwischen der Masse und ihm. Die normalen Menschen und der Führer haben das gleiche Ziel, lautet die Botschaft, sie arbeiten zusammen. Trump betont hier die Muskeln: also die Körperlichkeit des starken weißen Mannes. Und dann kommt wieder die Bedrohung: durch die Elite, die dem starken weißen Mann seinen Job wegnimmt.

Interaktion: „Is there any place better than being at a Trump rally? [NO!, schreien Fans jubeln]. Oh yeah, I'll tell you. The people outside the can't get in and are not so thrilled. Thank you very much. Look at that. I mean, this place is packed.  This set a new record. You're not supposed to have this many people. This place is packed. [WE WANT TRUMP, WE WANT TRUMP, schreien Fans]  Thank you. I love you too. I love you, too.“

Ötsch: Seine stärksten Momente hat Trump, wenn er das Kommando abgibt, wenn die Leute johlen oder etwas skandieren können. Das ist wie bei einem Rockkonzert, wenn der Sänger das Mikrofon ins Publikum hält. Und das schafft eine starke Verbindung zwischen ihm und dem Publikum.

Ende der Rede: „We are one movement, one people, one family, and one glorious nation under God. And together we will make America powerful again. We will make America wealthy again. We will make America strong again. We will make America proud again. We will make America safe again. And we will make America great again.“

Ötsch: Hier schafft Trump die engstmögliche Verbindung zum Publikum: Das fiktive Wir, die Guten, sind eine Einheit und werden zusammen halten. Und wir werden gemeinsam gewinnen und eine bessere Welt schaffen. Mit seinen letzten Sätzen spricht er die verschiedenen Interessengruppen im Publikum an und bereitet seinen Schlusssatz vor: Das Leitmotiv 'We will make America great again.' Den können dann alle mitschreien und jubeln. Wie ein lauter Festgesang mit Orgelbegleitung in der Kirche ...

Hecking: Drumherum der Veranstaltung: Die Rally war im Hangar eines kleinen Flughafens in der Peripherie von Detroit. Davor gab es lange Warteschlangen wegen der Security; ich habe 2:45 Stunden angestanden bei minus 5 Grad und schneidendem Wind. Die Leute standen geduldig an, niemand in meiner Umgebung hat sich beschwert. Als Trumps Maschine bei der Landung über uns hinweg brauste, flippten die Leute aus, filmten und jubelten ihm von unten zu. Kurz vor dem Einlass sah so aus, als kämen wir gerade eben nicht mehr rein, weil es innen schon so voll war. Eine Frau vielleicht 50, sagte zu ihrer Freundin: „At least you can tell your kids that you came and tried to see Him.“

Ötsch: So eine Rally ist ein Gesamtkunstwerk: Durch das Warten werden Erwartungen geschürt, und wenn es dann kalt ist und das Publikum leiden muss, bevor es hineinkommen, steigert es das Gefühl, dass man Teil von etwas ganz Besonderem ist und dass man dazu auch etwas beigetragen hat. Und wenn es die Menschen dann hineingeschafft haben, dann sind sie umso mehr bereit, sich mitreißen zu lassen.

Hecking: Warum Trump andererseits so viele Menschen kalt lässt (auch mich):

Ötsch: Wenn Menschen ganz anders denken, wenn sie sich nicht selbst als Verlierer sehen oder Verschwörungsphantasien ablehnen, dann fühlen Sie sich nicht angesprochen, dann ist ihnen das unverständlich, sie sind gefühlsmäßig distanziert. Und Sie sind als Journalist hineingegangen, mit dem Ziel, Trump zu analysieren und ihn zu durchschauen, nicht um sich mitreißen zu lassen. Wenn Sie es nicht wollen, kann niemand Sie hypnotisieren.

Beschreibungen von Claus Hecking unter MItarbeit von Roman Höfner. Abdruck hier mit Genehmigung von Claus Hecking.

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