by  Walter O. Ötsch

November 2, 2023

Für den Weihnachtsbrief 2023 von SOS-Menschenrechte habe ich diesen kurzen Text verfasst, ich bin Mitglied im Vorstand

Menschenrechte sind unteilbar

Menschenrechte sind individuelle Rechte. Sie kommen jeder Person zu, jederzeit und immer – auch und besonders im Krieg und in kriegerischen Ereignissen. Denn ein Krieg verführt dazu, einseitig Position zu beziehen – nämlich eine Seite als gut und die andere als böse zu erachten. Viele machen dies auf eine absolute Weise: alles, was die eigene Seite tut, wird gebilligt, der Feind hingegen dämonisiert. „Die anderen“ sind dann keine Menschen mehr, sondern gelten als Tiere und Bestien.

Die Menschenrechte verbieten eine solche Rhetorik. Denn auch jene, die Menschenrechte verletzen oder verletzt haben, bleiben Menschen und besitzen Rechte. Ihnen gegenüber dürfen nicht alle Mittel zum Einsatz gebracht werden, die möglich sind.

Aber was bedeutet das aktuell?

Die Warte der Menschenrechte ist radikal und politisch unbequem. Auf abscheuliche Situationen mit Empörung, Wut und Hass zu reagieren ist allzu verständlich: Wer kennt nicht den Impuls zurückzuschlagen und ein Unrecht zu rächen? Aber aus Rache zu handeln macht blind für die Verletzung von Menschenrechten, die im Namen des eigenen Standpunktes begangen werden.

Jeder Krieg, der uns emotional ergreift, gibt Gelegenheit unsere Position zu den Menschenrechten einer Überprüfung zu unterziehen: Sind wir in der Lage, den Blick auf die Menschenrechte für alle beizubehalten – unabhängig davon, wie wir den Krieg in der Ukraine, den Terror in Israel oder die Bombardierungen von Gaza politisch einschätzen?

Menschenrechte und Frieden

In jedem Fall muss das Schema vom absolut Guten und vom absolut Bösen aufgegeben werden. Schaffen wir es den Konflikt differenzierter zu sehen und die reine Militärlogik abzulegen? Denn im jeden Krieg empfinden sich beide Seiten ihrer Gegenseite moralisch überlegen. Beide sehen sich im Recht und beide sprechen von legitimer Notwehr. Beide reagieren lediglich auf das Unrecht, das „die anderen“ ihnen angetan haben.

Die Menschenrechte verbieten keine begrenzte Notwehr und stehen nicht in Widerspruch dazu. Sie geben aber kein Recht auf eine absolute Notwehr. Das zu sagen spricht keine politischen Lösungen an. Viel Bescheideneres ist gemeint: auch im Krieg den Rahmen beizubehalten, in dem Schritte auf sein Ende möglich werden. Denn wer für die Menschenrechte für alle eintritt, will letztlich Frieden für alle – wie aussichtslos das in der aufgewühlten Gegenwart auch sein mag.

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